Workshop: Mit schimmernder Rüstung und flatterndem Cape – Âventiuren zwischen Mittelalter und Moderne

Kontext / Contexte

Was Âventiure sei, möchte ein Waldmensch in Hartmanns von Aue mittelhochdeutschem Roman Iwein wissen. Die Antwort des Artusritters Kalogrenant gibt durchaus Rätsel auf und wird bis heute immer wieder in der Forschung diskutiert: "Man nennt mich einen Ritter und ich suche einen Mann, der wie ich gerüstet ist, damit er mit mir kämpft." Ein Abenteuer suchen, das bedeutet für Kalogrenant in den Kampf zu ziehen, Ehre mit Waffengewalt erringen. Moderne Abenteuererzählungen, gerade solche, die sich an Kinder und Jugendliche richten, haben sicherlich oft ein anderes Verhältnis zur Gewalt, fremd ist ihnen das mittelalterliche Muster der Âventiure aber keinesfalls.
Der mittelhochdeutsche Begriff Âventiure (lat. advenire 'geschehen, sich ereignen') bezeichnet zunächst ein ungewöhnliches Ereignis, ein Schicksal, eine Begebenheit. Als Narrativ ist sie meist in eine bestimmte Grundstruktur eingebettet: der Held (seltener die Heldin) verlässt die Heimat und bewährt sich in der Fremde, um dann als 'wahrer' Held zurückzukehren. Dieses schlichte und variationsfreudige Grundmuster stimuliert die Imagination von Lesern/-innen bis in die Gegenwart hinein. Abenteuergeschichten sind aber nicht nur unterhaltend und spannend, in didaktischer Perspektive bieten sie aufgrund ihrer Serialität, ihrer Level-Struktur und ihres Ereignischarakters außerdem Chancen für literarisches Lernen im Unterricht.

Zielsetzung / Objectifs

Wissen
Die Teilnehmer/-innen kennen:
- das narrative Muster Âventiure im mittelalterlichen Artusroman
- zeitübergreifend fassbare Strukturen abenteuerlichen Erzählens
- den Vergleich mit modernen Medien, insb. Comics & Videospiele.

Fähigkeiten
Die Teilnehmer/-innen sind in der Lage:
- ältere Literaturwissenschaft und moderne Deutschdidaktik zu verzahnen
- ein Verständnis für serielle Erzählstrukturen, die Handlungsmotivation von (mittelalterlichen und modernen) (Super-)Helden und den Ausgang von Abenteuergeschichten zu entwickeln
- diese Reflexionen als Perspektiven für ein breiteres Verständnis verschiedener Erzählformen und -funktionen in einer Unterrichtsreihe zum Thema "Erzählen" zu betrachten
- die Auseinandersetzung mit mittelalterlichen Texten und Themen über ihren historischen Anspruch hinaus in der schulischen Unterrichtspraxis produktiv zu machen.

Haltung
Die Teilnehmer/-innen reflektieren ihre eigene Unterrichtspraxis.

Inhalt / Contenu

Im Rahmen von Vortrag und Workshop wird das Âventiure / Abenteuer-Schema in mittelalterlichen und modernen Realisierungen untersucht. Mit besonderem Blick für die strukturelle Gestaltung der betrachteten Erzählungen und ihrer jeweiligen medialen Umsetzung (Vortragssituation, Versdichtung vs. moderne Bilderzählung) wird erörtert, inwiefern die Auseinandersetzung mit ihm ein lohnendes Unterfangen für den Deutschunterricht sein kann.

Im Workshop geht es dann konkret darum, Konzepte für den Unterricht zu erarbeiten, die Schülern/-innen Einblicke in folgende Themenkomplexe vermitteln:
- Heldenkonzepte in ihrem jeweiligen narrativen und historischen Kontext
- Erzählwelten und die erzählerische Funktion eines Heldenkosmos
- das Âventiure-Schema und die damit verbundenen Deutungen von Welt sowie die Aktualisierung dieses Schemas im Hinblick auf neue Medien.

Arbeitsformen / Approche méthodologique

- Erarbeitung von Unterrichtsansätzen und Materialauswahl in Kleingruppen
- Präsentation / Vortrag
- Diskussion.

Referent, Referentin / Formateur, formatrice

Amelie Bendheim, Dr., Universität Luxembourg
Dominik Schuh, Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Remarques / Anmerkung

der Vortrag (Do) bildet die Grundlage für den anschließenden Workshop (Fr), in dem wir uns anhand von Textbeispielen mit konkreten Umsetzungen im praktischen Schulunterricht auseinandersetzen wollen; im Vorfeld der Veranstaltung wird den Teilnehmern/-innen ein kurzer Reader mit Textbeispielen zur Verfügung gestellt, um eine gemeinsame Grundlage für die Beschäftigung mit mittelalterlicher Literatur und modernen Comics zu ermöglichen; die Teilnehmer/-innen sind darüber hinaus aufgefordert sich mit einer kurzen Rechercheaufgabe auf den Workshop vorzubereiten (s. Aufgabenblatt)